Kapitel I: Wallrafs Tod vor 200 Jahren
– der 18. März 1824
Sebastian Schlinkheider
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„Trauert, Kirche, Wissenschaft und Kunst! trauert, Bürger Kölns!“ – so beginnt der hymnische Totenzettel Ferdinand Franz Wallrafs, der anlässlich seiner Beisetzung auf dem Melatenfriedhof am 22. März 1824 an die Trauernden verteilt worden ist.
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„Unser Wallraf“ – was hat das in den Jahren nach seinem Tod bedeutet? Und was bedeutet es heute? Um diese Fragen geht es in den folgenden Ausführungen, die auf den Tag genau zum 200. Todestag Wallrafs erscheinen. Weil es in dieser Publikation um das Image geht, das Wallraf vor allem seit seinem Ableben am 18. März 1824 umweht – und darum, was aus ihm nach seinem Tod gemacht wurde, wird hier nicht Wallrafs Biografie ausführlich erläutert. Als Leser*in könnte man nun entgegnen: „Ich weiß eigentlich gar nicht, wer dieser Wallraf war!“ – dann können Sie sich hier den „Crashkurs“ ansehen, ein kurzes Video mit den wichtigsten biografischen Informationen. Und hier finden Sie außerdem eine Zeitleiste zum Durchklicken, die Wallrafs Leben und die Umstände seiner Zeit verbindet. Doch nun dazu, wie die Nachwelt Wallraf gesehen hat.
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Vor wenigen Jahren gab es bereits ein Wallraf-Jubiläum in Köln: 200 Jahre war es her, dass Wallraf am 9. Mai 1818 sein drittes und letztgültiges Testament verfasst und darin die Stadt „zu ewigen Tagen“ als Universalerbin seiner Sammlungen eingesetzt hatte. Das Testament, vor allem die wichtigen Paragraphen 9 und 10 können Sie hier nachlesen, wo Sie außerdem eine ausführliche Beschäftigung mit Wallrafs letztem Willen finden. Mit Wallrafs Tod 1824 trat der Erbfall ein. Seine ca. 80.000 Stücke umfassende Sammlung wurde nun zunächst von seinen Testamentsexekutoren und weiteren Weggefährten geordnet. Diese Kommission erstattete 1826 dem Rat der Stadt Köln Bericht. Erst dann wurde das Erbe noch einmal offiziell von der Stadt und dem preußischen Staat rechtskräftig angenommen.
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Zu seinen Lebzeiten gab es allerdings eine andere, gegenüber dem „Sammler“ sogar noch stärkere Rolle, die mit Wallraf verbunden wurde: Bereits Joachim Deeters merkt 1974 an, dass seine „Zeitgenossen […] zuerst in ihm den Lehrer sahen, weil er durch diese Tätigkeit mit so vielen Menschen in Berührung gekommen war.“
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Wallraf als Lehrer, der „Alle“ lehren wollte. So sahen ihn die Zeitgenossen also in erster Linie. Interessant ist die Betonung der „außerordentlichen Aufopferungen“ – ein wichtiges Motiv, das bei einer Thematisierung Wallrafs nur selten fehlt. Per aspera ad astra – auf mühsamen Wegen zu den Sternen! Der eingangs zitierte Totenzettel hatte das ebenfalls bereits ausformuliert: „Ausgerüstet mit einem Reichtum von Kenntnissen, die er, bei vorzüglichen Natur-Anlagen, doch sonst ungünstigen Verhältnissen, nur durch eigenes Streben errungen, stand er da – beispiellos in seinem durch Mühen und Opfer jeder Art bethätigten Eifer für geistige Schönheit, trachtend einzig in allen Stürmen der Zeit, zu retten und zu sammeln Schätze des Wissens und der Kunst aus der Vorzeit, zu fördern Schönes für Gegenwart und Zukunft.“
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Für diese Liebe Wallrafs zu seiner Stadt – und für die Aufopferungen, die er um ihretwillen auf sich genommen habe, gibt es in Köln eine bemerkenswerte Formel: Die des ‚Erzbürgers‘. In der hier vorgestellten Annäherung an das Verhältnis Kölns zu „unserem“ Ferdinand Franz Wallraf darf der Erzbürger keinesfalls ausgelassen werden. Ein besonders einschlägiges Beispiel für die Rede vom ‚Erzbürger Wallraf‘ ist die Gedenk-Plakette am WDR-Funkhaus
„Ferdinand Franz Wallraf. 1748–1824. Begründer der Kölner Museen. Prof[essor] Can[onicus], letzter gewählter Rektor der alten Universität Köln. Erzbürger Kölns / Dr. med. et phil.“
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„Erzbürger Kölns.“ So lapidar steht es da, scheinbar ganz ohne die Notwendigkeit einer Erläuterung oder Begründung. Offenbar eine kölnische Selbstverständlichkeit. Eine Unzahl weiterer Beispiele, in denen Wallraf ähnlich selbstverständlich diesen Titel zugewiesen bekommt, ließe sich ergänzen. Im ‚Erzbürger‘-Titel liegt ein wichtiger Schlüssel, um sich der Frage anzunähern, in welchem Verhältnis die Stadt Köln und Ferdinand Franz Wallraf als eine zentrale Figur der Stadtgeschichte und Stadtkultur zueinander stehen – im nächsten Abschnitt wird also zu klären sein, was es eigentlich damit auf sich hat.
Empfohlene Zitierweise (Einzelzeite)
Schlinkheider, Sebastian, Wallraf und wir. Eine Stadt (er-)findet ihren ‚Erzbürger‘ (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00009), in: mapublishing, 2024, hier: hier: Kapitel 1, Wallrafs Tod vor 200 Jahren – der 18. März 1824, URL: https://wallrafundwir.mapublishing-lab.uni-koeln.de/kapitel-1 (letztes Abrufdatum: [Datum einfügen]), [ggf. „Abs.“ und Absatz-Nr. einfügen].